Datenschutzwissen

Streaming und Datenschutz: Hier klafft eine gefährliche Lücke

Zu den Profiteuren der Covid-19-Pandemie gehören ohne Zweifel die großen Streamingdienste, die ihre wachsende Zahl an Kunden mit Video- und Audio-Dateien versorgen.

Apple Music, Netflix und Co. freuen sich über wöchentlich mehr Nutzer auf der Suche nach häuslicher Zerstreuung. Der österreichische Datenschutzverein „NOYB“ prangert im Rahmen einer Studie an, dass die Anbieter in Sachen Datenschutz nicht minder fragwürdig agieren als die großen Social-Media-Plattformen.

Prinzipiell wäre hinreichender Datenschutz für Nutzer von Streamingdiensten technisch keine große Herausforderung. Allerdings steht dies im krassen Gegensatz zu den eigentlichen Interessen der Anbieter. Denn naturgemäß ist der Nutzer mit einer IP-Adresse angemeldet, um die Inhalte aus dem Netz auf dem Smart-TV oder einem sonstigen internetfähigen Endgerät zu beziehen. Damit ist er eindeutig identifizierbar. Allerdings, so die Annahme der Datenschützer, werden sämtliche Bewegungen eines Nutzers permanent protokolliert, gespeichert und ausgewertet. So können Netflix, Amazon Prime oder DAZN sich von ihren Nutzern ein erschreckend klares und präzises Bild machen. Welche Art Sendung oder Musik ist in den Favoritenlisten, wann wird bevorzugt gestreamt? Das wäre ja noch halb so wild, aber die Auswertungen gehen noch viel weiter. Wer sich also öfter Inhalte über Finanzanlagen anschaut, plant vermutlich ein Investment. Und wer bevorzugt Herzschmerz-Schmacht-Filme herunterlädt, hat vermutlich Liebeskummer. Vor allem für werbetreibende Partner der Dienste sind diese Informationen über die Verhaltensmuster der Kunden ungemein wertvolle Grundlagen für personalisierte Werbung.

Die wichtigsten Schutzmaßnahmen werden nicht gewährleistet

Gemäß Artikel 13, 14 und 15 DSGVO haben die Nutzer von Streamingdiensten weitreichende Rechte, die sowohl die Datenschutzerklärungen der Streamingdienste betreffen, wie auch die Verpflichtung der Streamingdienste, detailliert auf Auskunftsersuchen zu reagieren. Bei den Datenschutzerklärungen kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass bei allen untersuchten Anbietern Teils erheblicher Nachbesserungsbedarf besteht. Insbesondere bei der Nennung von Zwecken, für die Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert werden, blieben die Datenschutzerklärungen größten Teils exakte Aufklärung schuldig. Ebenso verhält es sich mit der Auswertung von Verhaltensmustern der Nutzer. Auch hier wird von vielen Anbietern nicht klar formuliert, für welche Zwecke die Aufzeichnung des Nutzungsverhaltens verwendet wird. Vor allem die Branchenriesen aus Übersee haben nach wie vor eklatante Schwächen bei der Darlegung darüber, welche Daten in welchem Ausmaß ins Ausland übermittelt werden – ein zentraler Punkt im internationalen Datenschutzrecht. Die Studie kommt aber auch zu dem Ergebnis, dass die Datenschutzerklärungen nicht durchgängig fehlerhaft sind, dennoch besteht an vielen Stellen dringender Nachholbedarf.

Bei der Auskunftserteilung ergab sich ein deutlich differenzierteres Bild. Das Ergebnis bescheinigt allen anderen voran YouTube, Spotify, Amazon und Apple Music ein ganz klares, beinahe schon dreistes Fehlverhalten im Sinne der Datenschutzbestimmungen der EU. Von den in Artikel 15 DSGVO definierten Auskunftspflichten wurde von den genannten Unternehmen nicht einmal ein Detail des Auskunftsersuchens im Sinne der DSGVO beantwortet. Deutlich besser schnitten dabei beispielsweise DAZN, Flimmit, Netflix und SoundCloud ab. Letztgenannte erwiesen sich als deutlich auskunftsfreudiger und erfüllten die Anforderungen, wenngleich auch hier bedenkliche Lücken klaffen, was die Datenübermittlung in Länder außerhalb der EU angeht.

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass sich in den Erklärungen der Unternehmen nicht nur Ungereimtheiten auffinden lassen, sondern dass sogar mit Antworten gearbeitet wird, die sich gegenseitig widersprechen. Teilweise wird auf die wesentlichen Aspekte lediglich nebulös eingegangen. Fakt ist, dass vermutlich bei den Nutzern der Dienste kaum ein Rechtsempfinden vorliegt, wenn sie die Dienste nutzen. Denn Datenschutzerklärungen werden erfahrungsgemäß von den Usern einfach nur weggeklickt, ein ähnliches Phänomen wie beim Einkaufen in Onlineshops. Ob viele Nutzer von ihrem Recht auf Auskunft Gebrauch machen, ist ebenfalls fraglich. Bleibt also festzustellen, dass vor allem das Streaming von Audio- und Video-Dateien ein Bereich ist, in dem die Konsumenten rein zielorientiert agieren: Viele User scheinen auf der Jagd nach unterhaltenden Inhalten kaum Zeit investieren zu wollen, um sich mit Datenschutzfragen zu beschäftigen.

Fazit

Streamingdienste gab es schon lange vor Inkrafttreten der DSGVO, und die Konsumenten sind sich kaum der Tatsache bewusst, dass sich quasi über Nacht ihre rechtliche Situation gravierend zu ihren Gunsten verändert hat. Dieses mangelnde Bewusstsein scheint ausschlaggebend dafür zu sein, dass die meisten ihre Daten auch jetzt völlig unbekümmert zu Nutzung freigeben, obwohl sie dies nicht müssten, um in den Genuss von Unterhaltungsinhalten zu kommen. Dennoch wäre es wünschenswert, sowohl bei den bestehenden wie auch bei den künftigen Nutzern von Streamingdiensten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass viele Anbieter den Datenschutz außen vor lassen, um mit sensiblen Nutzerdaten lukrative Geschäfte zu betreiben. Die NOYB-Studie macht bewusst, dass seitens der Streaming-Anbieter enormer Handlungsbedarf besteht und dass Konsumenten gut damit beraten wären, aktiver von ihren Rechten Gebrauch zu machen.

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