Datenschutzwissen

Vor 50 Jahren wurde der Datenschutz gesetzlich verankert

Auf der Suche nach der Geburtsstunde des Datenschutzes spielen die Hessen die entscheidende Rolle. Hier trat 1970 das erste Datenschutzgesetz auf deutschem Boden in Kraft.

Was heute als Selbstverständlichkeit gilt, wurde im ehemaligen Stadtschloss der nassauischen Herzöge, dem Wiesbadener Landtag, erstmals so in dieser Form verlesen: „(…) erfasste Unterlagen, Daten und Ergebnisse sind so zu ermitteln, weiterzuleiten und aufzubewahren, dass sie nicht durch Unbefugte eingesehen, verändert, abgerufen oder vernichtet werden können. Dies ist durch geeignete personelle und technische Vorkehrungen sicherzustellen.“ Damit wurde in Hessen ein Grundstein gelegt, und das hatte damals schon handfeste Gründe, obwohl es noch keine Social-Media-Plattformen gab.

Als Ursache gilt ein Leitartikel

Hanno Kühnert war der Verfasser eines Artikels im Jahr 1969. Die von ihm so genannte „ … sanfte Revolution der Elektrogehirne“ gab seiner Ansicht nach Grund zur Besorgnis. Denn die gespeicherten und sich rasend schnell verbreitenden Informationen seien eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft. Unsere heutigen Computer mögen zwar nicht mehr so groß wie Kühlschränke sein, die alarmierende Wortwahl Kühnerts jedoch ist in etwa mit derjenigen vergleichbar, mit der heute die Gegner von Facebook oder Google mahnen. Von „Tendenzen zur Totalisierung“ war die Rede oder der „Entblößung und Degradierung der menschlichen Person“. Damals stand aber in erster Linie der Staat unter Verdacht. Was war womöglich zu befürchten, wenn staatliche Behörden Millionen Daten von Bürgern abspeicherten und beliebig auswerten konnten? Eine solche Datenzentralisierung mache den Einzelnen „unerträglich“ transparent und erfordere daher Kontrollen sowie Informationssperren. Auch wenn damals die meisten keinerlei Gedanken daran verschwendeten, welche juristischen Konsequenzen es haben könnte, gigantische Datenmengen zu speichern, erwies sich Autor Kühnert als Visionär und brachte mit seinem viel beachteten Artikel etwas Wichtiges in Bewegung.

Unerwartet schnelle Reaktion der Landesregierung

Im Amt des Ministerpräsidenten Hessens befand sich zu dieser Zeit der aufmerksame Zeitungsleser Georg August Zinn. Der SPD-Politiker soll noch am Tag des Erscheinens von Kühnerts Artikel den Anstoß für einen Gesetzentwurf gegeben haben. Damit wollte er das staatliche Sammeln von Daten unter strikte gesetzliche Auflagen stellen. Dennoch gilt der damals in Frankfurt lehrende Jurist Spiros Simitis als eigentlicher Vater des Datenschutzes. Er verfasste den Gesetzestext, ausgehend von eigenen Untersuchungen der noch jungen elektronischen Datenerhebung und -verarbeitung. Zum ersten Mal in der juristischen Geschichte wurde in einen Gesetzestext gegossen, dass der Bürger von staatlicher Willkür durch das Sammeln von Daten zu schützen sei – ein wahrlich großer juristischer Wurf, von dem wir noch heute profitieren.

Wenig später folgte dem Gesetz ein Amt

Auch der Datenschutzbeauftragte war eine hessische Erfindung. Er fungierte in Hessen als Anlaufstelle für besorgte Bürger, der oberste Kontrolleur eines Mediums, das vielen schon damals nicht geheuer war. Und doch muss aus heutiger Sicht darauf hingewiesen werden, dass die Geburt des Datenschutzes aus dem Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen heraus entstand. In erster Linie verfügten zum damaligen Zeitpunkt staatliche Stellen über das technische Equipment und Anlässe zur Datenerhebung. Auf Unternehmensseite dachte man erst später über diese Möglichkeiten nach. Riesige Computer hielten in den Behörden Einzug und sorgten allein schon wegen ihrer Größe für ein Bedrohungsszenario. Es war aber hierzulande ein gar nicht so langer Weg, bis Richter entschieden, dass die Sicherheit persönlicher Daten auch die Sicherheit der Demokratie garantiere. Wenn heute ein Social-Media-Gigant oder eine beherrschende Suchmaschine in den Fokus rücken, gilt diese Erkenntnis nicht weniger. Somit können wir es heute als Geschenk begreifen, dass Datenschutz auf den Schild gehoben wurde, vor allem angesichts der Erkenntnis, dass heute die großen Internetkonzerne durch das Sammeln gigantischer Datenmengen in vielen Bereichen mehr Macht angehäuft haben als die Staaten, in denen sie angesiedelt sind.

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