Datenschutzwissen

Laut einer Bitkom-Umfrage halten viele deutsche Unternehmen die DSGVO für einen Bremsklotz

Wann immer eine Bitkom-Verlautbarung die Runde macht, wird es spannend für Datenschützer. Denn der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien verfügt stets über brisantes Zahlenmaterial.

Die neusten Zahlen sehen so aus: 50 Prozent der Unternehmen mit Sitz in Deutschland sehen sich durch die DSGVO bei der Einführung von Innovationen ausgebremst.

Noch immer starker Nachholbedarf bei der DSGVO-Umsetzung

In der aktuellen Umfrage kommen bei Bitkom 500 Unternehmen zu Wort. Thema: Umsetzung und Erfahrungen mit der DSGVO. Erschreckend mutet an, dass erst 57 Prozent der Unternehmen angeben, die DSGVO aktiv anzuwenden. Gerade einmal 20 Prozent haben die DSGVO im eigenen Betrieb voll umgesetzt. Eine Bitkom-Sprecherin zieht daraus den Schluss, dass die Einführung der DSGVO nicht wie ein „Pflichtenheft“ abgearbeitet werden könne und diese Aufgabe für viele Unternehmen durch Unklarheiten und Zusätze wie ein „Fass ohne Boden“ wirke. Ulrich Kelber, der Bundesdatenschutzbeauftragte, sieht dagegen diese knapp zwei Drittel als positiven Wert. Immerhin würden sich jetzt Unternehmen und Bürger mehr und ernsthafter mit dem Datenschutz beschäftigen. Das klingt zwar beruhigend in der Hinsicht, dass Datenschutz mehr gesellschaftliche Relevanz verzeichnet. Aber die ungenügende Wirkung der DSGVO als rechtliches Grundgerüst für Datenschutzfragen stimmt nachdenklich.

DSGVO wirkt in vielen Bereichen verlangsamend

Noch erschreckender scheint, das sage und schreibe 89 Prozent der befragten Unternehmen gute praktische Gründe anführen können, aus denen eine Umsetzung der DSGVO derzeit nicht machbar ist. 56 Prozent sind der Auffassung, das europäische Regelwerk verhindere Innovationen. Das ist vor allem deswegen beachtlich, weil ja inzwischen zwei Jahre an Erfahrungsschatz vorliegen, während in der DSGVO-Startphase hier hauptsächlich Bedenken die Runde machten.

Was sind die Gründe für dieses dramatische Urteil? Die Verhinderung von gemeinsam mit Partnerfirmen zu nutzenden Datenpools, eine Bremswirkung für Digitalisierung, Big Data und KI sowie der vorsorgliche Verzicht auf Datenanalysen stehen ganz oben auf der Problemliste. Setzt man dies ins Verhältnis mit den Forderungen der Politik nach Forcierung der Digitalisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz, zeigt sich die Kluft zwischen Anspruch und Realität. Letztlich steht hier die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem Spiel, die sich gegen Konkurrenten durchsetzen müssen, für die leichtere Spielregeln gelten. Immer häufiger erweist sich die DSGVO als wettbewerbsverzerrend. Während EU-Unternehmen einen gehörigen Aufwand betreiben müssen, um gesetzeskonform an Kundendaten zu kommen, diese zu verarbeiten und zu speichern, können US-Unternehmen oder chinesische Mitbewerber recht unbedarft verfahren und sich so viel freier, oft kostengünstiger und immer schneller bewegen.

Es fehlt ein rechtsverbindliches internationales Gerüst

Darüber hinaus vermissen die befragten Unternehmen eine rechtliche Handhabe, die transparent, für alle verbindlich und klar umsetzbar ist. Nicht einmal innerhalb der EU gibt es einheitliche Praktiken. Im Zuge der Corona-Krise hat sich diese Wahrnehmung noch verstärkt. So nutzt etwa ein Viertel der Befragten bestimmte Tools zur Zusammenarbeit aus Datenschutzgründen nicht, obwohl sie die Arbeit im Homeoffice erleichtern würden. Denn zahlreiche Videokonferenz- und Messengerdienste sind rechtlich äußerst bedenklich, allerdings ist von den Anbietern keinerlei echte Hilfe zu erwarten.

Konsequenterweise fordern über 90 Prozent der befragten Unternehmen spürbare Veränderungen beim Umgang mit der DSGVO. Vor allem fühlen sich die Unternehmen selbst nach zwei Jahren noch ziemlich alleingelassen, den meisten fehlt es an seriöser und verbindlicher Beratung sowie an gesetzlichen Standards, die über die EU-Grenzen hinaus Gültigkeit haben.

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