Datenschutzwissen

Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Datenschutz auch für Straftäter?

Vor dem Hintergrund Tausender Verdachtsfälle, denen in Deutschland aufgrund des Datenschutzes nicht nachgegangen werden kann, stellt sich einmal mehr die Frage: Ist Datenschutz nicht teilweise auch Täterschutz?

Besonders dramatisch präsentiert sich dieses Dilemma, wenn bei den durch den Datenschutz geschützten Kriminellen Straftäter sind, die sich an Kindern vergehen und Handel mit Kinderpornographie betreiben.

90000 Verdachtsfälle jährlich

Auf Anfrage der Union im Bundestag äußerte sich die Regierung zum Thema Kinderpornographie. Die Antwort wirft dringende Fragen auf: 2022 erhielt das Bundeskriminalamt aus den USA 136437 Hinweise auf Kinderpornografie – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 74 Prozent. Basis für diesen Fingerzeig sind Datensätze, die das renommierte National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC ) gesammelt hatte. Rund 90000 dieser Hinweise sind laut BKA von strafrechtlicher Relevanz.

Diese Daten stammen letztlich von Internetriesen, wie etwa Facebook, Google oder Yahoo, und kamen beim automatisierten Scannen von gespeicherten Daten zustande. Was in Deutschland so nicht möglich wäre und von Datenschützern immer wieder angeprangert wird, leistet in diesem Fall Hilfe bei der Aufklärung und Bekämpfung von Straftaten. Die traurige Realität: Gäbe es die NCMEC nicht und würden nicht zahlreiche Internetgiganten die US-Initiative unterstützen, hätten deutsche Behörden von keinem einzigen Fall erfahren.

Brandthema Vorratsdatenspeicherung

Was der Datenschutz in Europa möglich macht, verschlägt manchem die Sprache: über 5600 der Vorfälle wurden archiviert statt verfolgt. Die Begründung: Die dahinterstehenden Verbrechen können nicht geahndet werden, eine Strafverfolgung findet nicht statt. Denn das oftmals einzige Beweisstück für erfolgten Kindesmissbrauch besteht in der IP-Adresse des oder der Täter. Diese jedoch wird von den jeweiligen Telekommunikationsanbietern nicht gespeichert. Denn eine Vorratsdatenspeicherung ist nach aktueller Rechtsauffassung im Datenschutz nicht zulässig.

Dabei könnte jedes Endgerät auf einfachste Art durch eine gespeicherte IP-Adresse identifiziert werden. Missbrauchstäter könnten von Behörden mit wenigen Klicks identifiziert werden – aber so bleiben sie anonym.

Die aktuelle Regierung bezieht keine klare Stellung

Wie dem Problem zu begegnen ist, hat im vergangenen Jahr der Europäische Gerichtshof (EuGH) demonstriert. Bei Kriminalfällen, wie Terrorismus oder sexueller Gewalt gegen Kinder, ist die umstrittene Vorratsdatenspeicherung seitens der EU-Richter statthaft. Im Bundestag hatte die Ampelkoalition seither dafür gesorgt, dass dieses brisante Thema nicht Gegenstand einer Anhörung wurde. Aus dem Justizministerium heißt es lediglich, eine Meinungsbildung in der Bundesregierung zur Entscheidung aus Brüssel sei noch nicht abgeschlossen. Wann dies der Fall sei, „steht derzeit noch nicht fest“. Für die Ermittler in Fällen, bei denen es um Kinderpornographie geht, bleibt eine digitale Identifizierung von Straftätern weiterhin ein Wunschtraum, solange die Regierung sich nicht fundiert äußert.

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