Datensicherheit im Internet

Browser-Reiniger Big Tech Detective – ist ein „freies“ Surfen endlich möglich?

Mit der Software Big Tech Detective lässt sich das Internet ohne Verbindungen zu den Tech-Riesen Microsoft, Facebook, Google und Amazon erleben. Die Erkenntnis: Ohne die Verknüpfungen der „großen Vier“ müssten wir das Internet, wie wir es kennen, vergessen.

Dank der NGO Economic Security Project wurde nun ein Beweis für etwas erbracht, das viele wahrscheinlich schon seit langem vermuten. Denn die Software Big Tech Detective zeigt schonungslos alle Webseiten beim Surfen auf, die in Verbindungen mit Amazon, Google, Facebook oder Microsoft bestehen. Klingt auf den ersten Blick nicht weiter dramatisch, offenbart aber auf eindringliche Weise, wo wir als User im Internet inzwischen angekommen sind. Denn die Software schrumpft das nutzbare Internet auf ein Minimum dessen zusammen, das wir alle täglich nutzen. Denn die „großen Vier“ haben inzwischen ein engmaschiges Netz um jeden einzelnen User gelegt, das fernab jeder Vorstellung von freiem Durchsurfen des Netzes rangiert. Permanent kommt es zum Austausch von Scripts, Speichervorgängen auf weit entfernten Servern und zu grenzenlosem Tracking von Benutzerdaten – eine Informationsbeschaffung im Internet, ohne dabei einem der großen Vier in die Fänge zu geraten, ist quasi ausgeschlossen.

Erschreckende Liste und deutlicher Warnhinweis

Die „Enthüllungssoftware“ hat zwei Grundfunktionen: Entweder weist Sie mit deutlichen Warnhinweisen und präzisen Listen darauf hin, wo Daten von Webseiten abgegriffen werden. In einer gut leserlichen Tabelle sieht der User, wie viele „Connections“ die jeweilige Webseite zu welchem der Tech-Giganten vorhält. Oder die Software kann auch so justiert werden, dass die Webseiten mit Verbindungen zu Facebook und Co. automatisch blockiert werden. Was dann allerdings bleibt, ist nicht nur stark reduziert, sondern im Prinzip nicht mehr sichtbar. Ein Tester fand heraus, dass außer Wikipedia kaum eine ernstzunehmende Info-Seite frei von Verbindungen ist. Will man also ohne die Big Four klassische Netzinfos, wie Wetterdaten, Nachrichten oder Sportergebnisse, herausfinden, wird das Internet schnell zum Leercontainer. Bisher ist die Software für den Browser Chrome optimiert, auch für Firefox gibt es eine Version. Aber es verursacht ziemlich großen Aufwand für den Durchschnitts-PC-Anwender, die Software in den Tiefen der Browsereinstellungen zu installieren.

Datenschutz ja, aber zu welchem Preis?

Auf den ersten Blick scheint Big Tech Detective eine funktionierende Sicherheits-Software zu sein. Leider ist sie aber viel eher eine warnende Instanz. Und ihr Einsatz verdeutlicht, wie fein gesponnen das Datennetz inzwischen ist, das die Konzerne sich zunutze machen. Denn ob der User auf Seiten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Nachrichten recherchiert, Produkte für einen anstehenden Kauf vergleicht oder sich Informationen zu einer bevorstehenden Reise beschaffen will: So gut wie jede Seite steht in Verbindung mit Amazon- oder Microsoft-Servern, Google Adservices oder Facebook-Inhalten. Würden alle Seiten mit solchen Verlinkungen blockiert, wäre der Online-Ausflug ziemlich ernüchternd. Freilich ist nicht jede der genannten Verlinkungen gleich ein Verstoß gegen geltendes Datenschutz-Recht. Das Experiment fördert aber zutage, dass Anonymität beim Surfen völlig ausgeschlossen ist. Und dass beinahe jeder Seitenbesuch zum unfreiwilligen Datentransfer führt.

Eine Machtverteilung solchen Ausmaßes erfordert große Lösungen

Leider kommt der Einsatz von Big Tech Detective zu einem sehr ernüchternden Ergebnis: Wer durchgängig verhindern will, getrackt zu werden und unfreiwillig Daten preiszugeben, dem bleibt nur der Ausschalter. Aber diese Option ist kaum ernsthaft zu erwarten, denn allein durch die Entwicklung zu immer mehr Homeoffice und die Verlagerung von Konferenzen in die Onlinewelt ist ein Rückzug aus dem Internet schon allein beruflich kaum mehr praktikabel. Noch düsterer sieht es mit dem Privat-Surfen aus: Wer selbst einmal versucht, eine Woche ohne Internet auszukommen, stellt schnell fest, dass wir einen Großteil unserer Alltagsgewohnheiten inzwischen mit Hilfe des Internets bewältigen. Darüber hinaus sind viele Bereiche unsere Alltagsleben bereits so digitalisiert, dass sie analog kaum noch zu bewältigen sind.

Fazit: Big Tech Detectiv ist noch keine Lösung, das Internet aus Datenschutzsicht sicherer zu machen. Aber es fungiert als willkommener Warnhinweis, dass angesichts der Monopolstrukturen im Internet sowohl Datenschützer wie auch Wettbewerbshüter künftig noch wachsamer sein müssen, wenn Sie Regularien für das Internet planen, die über Grenzen hinaus Gültigkeit haben sollen. Denn längst hat sich im Web das Prinzip bewährt, dass sich der einzelne mit der international gültigen Währung „Datenpreisgabe“ ein schnelles und effektives Internet kauft. Aber es ist bestimmt in Zukunft geboten, dass Regierungen gemeinsam darüber befinden, ob die bedeutendste Kommunikationsplattform der Welt auch künftig von einer Handvoll Player monopolistisch gesteuert wird.

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